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"Heifahre" nach Sarganserländer Art

 

Am Samstag vor dem eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag, manchmal schon eine Woche vorher, finden sich in Mels und in anderen Sarganserländer Gemeinden tausende von Gästen ein. Sie alle haben dasselbe Ziel: «Ds Veh luegä». Cars aus dem In- und Ausland und Privatautos aus verschiedensten Kantonen füllen alle freien Parkplätze. Bei den Dorfplätzen oder bei anderen geeigneten Orten warten die Leute geduldig und mit grosser Spannung, bis das Vieh kommt.

 

Lange bevor das Vieh zu sehen ist, ist es zu hören. Grund dafür sind die grossen Schellen. Die meisten Alpen «fahren» mit so genannten «Innerschwyzer Trichlä» «hei». Diese Schellen werden in der Innerschweiz hergestellt, die Riemen stammen aber oft aus dem Kanton St.Gallen. Jonny Wildhaber in Flums und Ernst Thoma in Rorschacherberg sind zwei Sattler, die diese Schellenriemen herstellen.

 

Es ist der Stolz der Älpler, dass jede Kuh eine Schelle trägt. Die grossen Innerschwyzer «Trichlä» tönen laut. Zählt eine Sennte 80 oder noch mehr Kühe, ist sie von weither zu hören. Die Schellen gehören längst nicht alle den Älplern. Viele Bauern - aber auch andere Einwohner des Sarganserlandes, die mit der Alpwirtschaft verbunden sind - besitzen Schellen. Schon früh reservieren sich die Älpler deshalb «ihre» Exemplare für die «Heifahrt».

 

Wenn dann das Vieh kommt, beeindrucken nicht nur die Töne. Die wunderbaren «Tschäppel» machen die meisten Leute, die eine Sarganserländer Alpabfahrt zum ersten Mal erleben, sprachlos. Die Bäuerinnen sind es, die für jede ihrer Kühe einen «Tschappel» mit Gartenblumen anfertigen. Schon im Frühjahr denken die Bäuerinnen ans «Heifahre». Astern, Dahlien und Tagetes eignen sich nämlich ganz besonders gut für schöne «Tschäppel», also werden sie im Garten angebaut. Es ist wichtig, dass die Blumen haltbar sind, denn die Kühe tragen die «Tschäppel» doch einige Zeit, bis sie im Dorf sind.

 

Das Bild, wenn die Älpler mit ihren Sennten in die Dörfer kommen, ist unvergleichlich: Jede Kuh trägt einen «Tschappel» und eine Schelle. Den Kühen voran geht der Senn, derjenige Älpler also, der das Mulchen (Käse und Butter, eventuell weitere Spezialitäten) herstellte und dafür auch die Verantwortung übernahm. Irgendwo in der Herde sind der Zusenn und weitere Hilfen zu sehen. Den Schluss der Sennte macht der Küher, er war während des Alpsommers für das Vieh verantwortlich. Sämtliche Älpler tragen gestickte «Chüttel». Am Hutschmuck ist zu erkennen, ob ein Älpler ledig oder verheiratet ist: Befindet sich der Blumenschmuck links, ist der Älpler noch zu haben, ist der Schmuck rechts, ist er verheiratet.

 

Das «z Alp fahre» im Frühjahr ist im Sarganserland keine festliche Angelegenheit. Der grösste Teil des Viehs kommt heute per Lastwagen, allenfalls wird die letzte Strecke – je nach Notwendigkeit – zu Fuss zurückgelegt.

 

Das «Heifahre» ist in verschiedenen Sarganserländer Dörfern aber ein eigentliches Volksfest geworden. Kindergärtner wie Altersheimbewohner haben dasselbe Ziel: Sie müssen unbedingt «ds Veh go luegä». Wäre das einmal nicht möglich, hätten sie etwas verpasst. Auch Leute, die mit der Landwirtschaft während des Jahres nichts zu tun haben, fühlen sich der Alpwirtschaft verbunden und äussern sich zur Alpabfahrt: «Gäll, d Siezer, die vu Schwaldis, vo dä Wiese, vom Vermii oder von anderen Alpen sind schü cho», ist deshalb immer wieder zu hören.

 

Die Kultur rund um die Alpwirtschaft und ganz besonders ums «Heifahre» trägt viel dazu bei, dass die Landwirtschaft in den Sarganserländer Dörfern bei der nichtbäuerlichen Bevölkerung noch gut verankert ist.

 

Kühe am Melser Dorfbrunnen